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Written by: Lifestyle Lifestyle Archiv

Katy Karrenbauer im Enzkreis Rundschau Interview

Katy Karrenbauer ist Schauspielerin, Sängerin und Synchronsprecherin. Einer größeren Öffentlichkeit wurde die gebürtige Duisburgerin durch ihre langjährige Rolle als Christine Walter in der RTL-Serie »Hinter Gittern – Der Frauenknast« bekannt. Seitdem hat sie in unzähligen Fernseh-, Film- und Bühnenrollen überzeugt. 2022 stand sie unter anderem in der Rolle der Rosalie Ebersbach bei den Karl-May-Spielen Bad Segeberg auf der Bühne. Die ausgebildete Schauspielerin ist außerdem als Autorin tätig und hat bereits mehrere Bücher geschrieben. Im Dezember 2022 erschien mit „Ich wollte einen Hund – jetzt hab ich einen Vater“ ein kraftvoll und berührendes Buch über die Demenzerkrankung ihres Vaters. Eine Geschichte über das Leben selbst, in der es um Nähe und Distanz geht, darum, lieben zu lernen, um Dankbarkeit, Pflicht und Schuld, um Vergessen und Verlust. Kurz: um das Leben in all seinen Facetten und die Herausforderungen, die es an uns stellt. Als Einzelne und als Gesellschaft. Im Interview verrät Katy Karrenbauer, was sie zum Schreiben dieses Buchs bewegt hat, warum man auch in schweren Zeiten seinen Humor nicht verlieren sollte und wie sie in ihrem Alltag Momente der Entspannung und Selbstfürsorge finden kann.


Was hat Sie dazu bewegt, Ihr Buch „Ich wollte einen Hund – jetzt hab ich einen Vater“ zu schreiben?
Die meisten Bücher, die ich zum Thema Demenz oder Alzheimer fand, dem Umgang mit der Krankheit, mit dem geliebten Menschen, der dabei ist, sich selbst und seine Erinnerung zu verlieren, wurden geschrieben, als der Betroffene bereits gestorben war. Als ich erfahren habe, dass mein Vater an Demenz erkrankt ist, konnte ich es zuerst nicht glauben. Dann aber fielen mir einige Telefongespräche mit ihm ein, in denen ich schon hätte spüren können, dass etwas mit ihm nicht stimmt.
Meine Reise mit meinem Vater begann ja leider erst sehr spät, er war bereits 86 Jahre alt, ich selbst 55. Mir stellte sich mit einem Mal die Frage, wie ich selbst alt werden möchte und worum es im Leben eigentlich geht. Dabei spielten die Themen „Würde“ und „Verzeihen“ eine große Rolle. In der Ausseinander- oder besser gesagt Zusammensetzung mit diesem Thema wurde mir eins klar. Ich möchte gerne andere Menschen, die ebenfalls einen dementen Menschen pflegen oder betreuen, an meinen Erfahrungen teilhaben lassen. Ich möchte ihnen das Gefühl geben, dass sie damit nicht alleine sind. Vor allem mit all den Schwierigkeiten, Hindernissen, der Suche nach einem geeigneten Ort für einen geliebten Menschen und der häufigen Überforderung, die einem ein schlechtes Gewissen bereitet.

Ihr Buch beschäftigt sich mit Themen wie Nähe und Distanz, Liebe, Dankbarkeit und Verlust. Welche Aspekte dieser Themen haben für Sie persönlich die größte Bedeutung?
Diese Themen gehören in meiner Geschichte natürlich alle irgendwie zusammen. Aber ich denke, nicht jeder Leser hat das gesamte „Paket“ meiner Erfahrungen zu tragen. Dennoch weiß ich, dass ich, wenn ich ein solches Buch in die Hände bekommen hätte, dankbar gewesen wäre, für den Einblick in die vielen schwierigen Situationen und Entscheidungen, in die man gerät und die man treffen muss, während man am liebsten den Kopf in den Sand oder tief unter die Bettdecke stecken würde. Der Blick auf den Menschen als Individuum und der Versuch, meinem Vater ein Altern in Würde zu ermöglichen, treibt mich jeden Tag aufs Neue an und die letzten viereinhalb Jahre, mit allen Höhen und Tiefen, waren und sind für mich ein Geschenk, das ich dankbar und demütig annehme.

Welche Erkenntnisse oder Lehren haben Sie aus Ihrer Reise mit Ihrem Vater gewonnen?
Ich habe begriffen, dass im Verzeihen viel Größe liegt und dass Schwäche meist auch Stärke bedeutet. Vor allem aber, wie sehr man über sich selbst hinauswachsen kann. Als mein Vater vor einigen Wochen ins Krankenhaus musste, hielt ich schon Nachtwachen bei ihm, da er dem Tod näher war als dem Leben. Da fühlte ich, dass ich zwar unendlich traurig wäre, wenn er jetzt ginge, aber ich war auch dankbar. Dafür, dass ich nicht genkniffen habe, ihn nicht einfach seinem Schicksal überlassen habe und bereit war, meine Zeit mit ihm zu teilen. Wenn ich heute mit ihm singe, lache, seine Fröhlichkeit mitbekomme, von ihm höre, dass er eigentlich „ganz zufrieden“ ist, wärmt dies mein Herz und ich denke: alles richtig gemacht. Ich hätte niemals mehr in den Spiegel sehen können, wenn ich mich der Verantwortung entzogen hätte.

In der Öffentlichkeit sind Sie bekannt für Ihre Ehrlichkeit und Authentizität. Wie haben diese Eigenschaften Ihr Schreiben und Ihre Erzählweise in Ihrem Buch beeinflusst?
Ich erzähle in meinem Buch keine Märchen, ich erzähle eine wahre Geschichte. Ich setze mich mit mir auseinander und lasse auch tief in meine Gefühle und meine Seele blicken.
Was meinen Vater angeht, habe ich einige Geschichten ausgelassen, die zwar lustig scheinen und sicher auch sind, aber seine Würde beeinträchtigt hätten. Ich wollte und will meinen Vater mit diesem Buch ja nicht vorführen, ich habe einfach einen sehr ehrlichen Blick auf ihn und mich gewagt und mir ist klar, dass Menschen, die dieses Buch lesen, sehr viel über uns erfahren. Aber das Thema ist mir unendlich wichtig, denn die Erfahrung zeigt, dass in meinem Umfeld fast jeder jemanden kennt, der betroffen ist. Unsere Gesellschaft wird immer älter und leider gibt es immer noch zu wenig Einrichtungen, die sich auf spezielle Arten von Demenz oder Alzheimer ausgerichtet haben. Da werden viele unterschiedliche Krankheitsbilder teils über einen Kamm geschoren. Auch mein Vater ist eigentlich in der Einrichtung, in der er ist, nicht richtig, da er nicht genügend gefordert wird. Das tue ich, das machen seine Betreuer, die ich dafür engagiere. Im Haus selbst bleibt meist zu wenig Zeit für den Einzelnen.

Welche Rolle spielt Humor für Sie in schwierigen Zeiten? Gibt es lustige oder humorvolle Erlebnisse in Ihrem Buch, die Ihnen dabei halfen, mit den Herausforderungen umzugehen?
Humor ist sehr wichtig. Das weiß jeder, der einen Menschen mit egal welcher Krankheit betreut. Diese ab und zu aufkeimende Leichtigkeit, die Humor mit sich bringt, ist so wichtig für die Zeiten, in denen die Schwere über einen kommt und man nur noch aus Tränen besteht, aus Furcht vor dem, was kommt oder was man erahnt. Ja, es gibt in meinem Buch auch Leichtigkeit, so wie es das Leben eben zulässt.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft sowohl in Bezug auf Ihre Karriere als auch auf Ihre persönliche Entwicklung und Lebensgestaltung?
Beruflich passiert gerade bei mir sehr viel und ich freue mich, dass ich als Schauspielerin und auch Synchronsprecherin immer wieder gut gebucht bin und alsbald wird man auch wieder Einiges von mir sehen und hören. Mein Motto ist ja: Kopf oben halten und immer schön nach vorne schauen. Das mache ich und das gelingt mir ganz gut. Dafür bin ich sehr dankbar. Auch habe ich inzwischen gelernt, mir kleine Freiräume zu schaffen und mal einen Tag lang nicht an meinen Vater zu denken oder niemanden retten zu wollen. Aber dennoch bleibe ich den wichtigen Themen erhalten. So wird es im September zusammen mit der Deutschen Demenzhilfe einige Aktionen geben, ich bin in den Beirat einer privaten Pflegeorganisation berufen worden und am 22.9.23, am Welt-Alzheimertag werde ich bei RTL den ganzen Tag zu diesem Thema bereitstehen.

Wie gelingt es Ihnen, inmitten eines hektischen Lebensstils Momente der Entspannung und Selbstfürsorge zu finden?
Ich habe einen kleinen Balkon und zum ersten Mal hatte ich Zeit, mich auch darum zu kümmern. Ich habe Tomaten gepflanzt und letzte Woche die ersten geerntet. Es waren nicht viele und ich habe sie mit Papa geteilt, aber sie schmeckten sehr gut. Auch mein kleiner Apfelbaum trägt dieses Jahr 17 Äpfelchen, denen ich beim Wachsen zugesehen habe. Damit möchte ich sagen, dass ich die kleinen Dinge im Leben wirklich zu schätzen weiß und dass sie mich auch glücklich machen. Dazu fahre ich, wenn ich es einrichten kann, zu meiner Mutter an die Ostsee, führe mit ihr schöne Gespräche und zwischendurch fahre ich ans Meer und lasse meine Seele fliegen. Das stärkt mich enorm. Und ich habe gute Freunde. Auch dafür bin ich unendlich dankbar.

Was hoffen Sie, dass die Leserinnen und Leser aus Ihrem Buch mitnehmen, insbesondere Menschen, die ähnliche familiäre Situationen durchleben?
Ich wünsche mir, dass dieses Thema, das so viele Menschen betrifft endlich aus der Dunkelheit gezerrt wird. Vielen Demenzkranken kann man schon im Vorfeld helfen, ihnen Brücken ins Leben bauen, wenn man die Existenz dieser Krankheit zulässt. Vielleicht kann ich dem einen oder anderen die Angst nehmen. Mein größter Wunsch aber ist, dass sich Angehörige sich nicht nur darauf verlassen, dass die Pflegerinnen und Pfleger ihr ihr Bestes geben – was sie sicherlich tun –sondern sie sich aktiv dafür einsetzen, dass ihre Liebsten in Würde altern dürfen – auch wenn das nicht immer einfach ist. Einfach so wie man es sich für sich selbst wünschen würde.


Fotos: ©Jan Kohlrusch / jankohlrusch.com
Last modified: 8. Dezember 2023